Positionspapier des ABB
Das Bündnis Berlin-Brandenburg für ein lebenswertes Berlin - Brandenburg wendet sich
gegen den durch den Flughafen Berlin Brandenburg International (BER) verursachten
Fluglärm und die durch den Flugverkehr verursachten gesundheitsschädlichen Folgen. Wir
sind der Auffassung, dass Schönefeld für einen Flughafenneubau der falsche Standort war
und ist. Deswegen darf der Flughafen BER nur so betrieben werden, wie er geplant und
genehmigt worden ist, insbesondere darf er wegen seiner unmittelbaren Stadtnähe nicht zu
einem internationalen Drehkreuz ausgebaut werden. Zum Schutze der unmittelbar
angrenzenden Wohnbevölkerung und aller Menschen in Berlin und Brandenburg muss ein
uneingeschränktes Nachtflugverbot von 22 - 6 Uhr gelten.
Der Flughafen BER Schönefeld wurde als Flughafen für den regionalen Flugbedarf der
Bundesländer Berlin und Brandenburg planfestgestellt und genehmigt. Nun soll er jedoch
als internationales Drehkreuz betrieben werden. Der Flughafen, der jetzt Realität werden
soll, hat nichts mit dem Flughafen zu tun, der von der Politik und den zuständigen
Behörden geplant, angekündigt und bewilligt wurde.
Die Divergenzen zwischen genehmigtem und in Wahrheit beabsichtigtem Flughafen sind
so erheblich, dass der Planfeststellungsbeschluss abwägungsfehlerhaft und rechtswidrig
ist:
- Laut Planfeststellung (vergl. Karte M2.1-5) sind für den BER für alle Bahnen Geradeaus-Starts und
Geradeaus-Landungen mit konsequenter, weit reichender Geradeaus-Bündelung vorgesehen. Nach
den aktuellen Planungen sollen jetzt abknickende und weit verzweigte Startrouten festgelegt werden.
- Laut Planfeststellung und allen öffentlichen Auskünften bis 2010 sind durch den BER rund 59.000
Menschen von Lärm betroffen. Nimmt man die Flugrouten vom 6. September 2010 und vom 4. Juli
2011 zusammen, sind durch den jetzt zu erwartenden Flugbetrieb aber rund 100.000 Menschen
tagsüber Fluglärm über 55 db(A) Dauerschallpegel und rund 650.000 Menschen nächtlichem
Fluglärm über 40 db(A) Dauerschallpegel ausgesetzt, der als gesundheitsgefährdend eingestuft wird.
- Laut Planfeststellung sind für den BER maximal 10 Prozent Umsteigepassagiere vorgesehen. Nach
jüngsten Äußerungen der Flughafengesellschaft und Landesregierungen werden nun 30 bis 40
Prozent angestrebt.
- Laut Landesentwicklungsplan und Planfeststellung ist der BER als Flughafen für den Flugbedarf von
Berlin und Brandenburg an nationalen und internationalen Flügen genehmigt. Das ist ein regionaler
Bedarf. Nach übereinstimmenden Aussagen der Landesregierungen und der Flughafengesellschaft
soll er jetzt als internationales Drehkreuz betrieben werden.
- Laut Planfeststellung ist der BER nicht als HUB (Heimat-Drehkreuz einer Airline) vorgesehen. Nach
jüngsten Äußerungen der Flughafengesellschaft und der Airline-Branche soll er jetzt sowohl für air
berlin als auch für andere Fluggesellschaften und ihre Allianzen als HUB fungieren.
Wir sind überzeugt, dass Flughafengesellschaft und Planfeststellungsbehörde bereits
bei der Genehmigung wussten, dass sie in Wahrheit einen viel größeren und
lärmintensiveren Flughafen betreiben wollten, als sie im Planfeststellungsverfahren
sowie gegenüber der Öffentlichkeit und dem Bundesverwaltungsgericht angegeben
haben. Betreibergesellschaft und Landesregierungen haben bewusst irreführende
Angaben gemacht, um Öffentlichkeit und Gerichte zu täuschen und die Genehmigung
zu erlangen. Das wahre Vorhaben wurde verschleiert. Zur Überflugsituation und zur
Lärmbelastung anfragenden Bürgerinnen und Bürgern wurden bis zum 6. September
2010 vom Flughafen falsche und irreführende Informationen (Pläne) ausgehändigt.
Der Flughafen wurde nur als "mittelgroßer Verkehrsflughafen" (Bundesverwaltungsgericht)
geplant, um den stadtnahen Standort Schönefeld überhaupt erst zu
ermöglichen. Das Konzept eines internationalen Drehkreuzes, das in Sperenberg oder
Jüterbog hätte verwirklicht werden können, wurde im Genehmigungsverfahren
ausdrücklich fallengelassen. Die Menschen in der Region müssen sich darauf
verlassen können, dass das, was geplant, angekündigt und genehmigt wurde,
Gültigkeit hat. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ein internationales
Drehkreuz nicht am Standort Schönefeld, also inmitten einer dichtbesiedelten Region,
verwirklicht wird.
Die Pläne für eine dritte Startbahn sind schon fertiggestellt, werden aber geheim
gehalten. Die um mehr als 30° abknickenden Flugrouten vom 6. September 2010 und
vom 4. Juli 2011 dienen der Ermöglichung einer mittigen dritten Startroute über
Potsdam/Havelseen im Westen und Gosen im Osten für die dritte Startbahn.
Daher fordert das Bündnis Berlin-Brandenburg gegen Fluglärm:
- Für den BER Schönefeld muss ein uneingeschränktes Nachtflugverbot für Flüge
von 22:00 bis 06:00 Uhr festgeschrieben werden.
- Wenn der Wirtschaftsstandort Berlin/Brandenburg tatsächlich ein internationales
Flughafen-Drehkreuz benötigt, mögen die Landesregierungen und der Bund einen
hierfür geeigneten, zusätzlichen Standort finden und schnellstmöglich die
entsprechenden Planungen dafür veranlassen. Wegen der vorherrschenden
Windrichtungen darf dieser Flughafen nicht westlich oder östlich Berlins liegen,
sondern er muss deutlich südlich von Berlin außerhalb des Autobahnringes liegen.
- Der BER Schönefeld darf nur so betrieben werden, wie er genehmigt wurde. Die
Anzahl der Umsteigepassagiere muss auf maximal 10 Prozent am Gesamt-
Passagieraufkommen beschränkt bleiben. Frequenz, Destinationen- und
Flugroutenmix und Betriebsverfahren müssen so festgelegt werden, dass lediglich
der Flugbedarf von Berlin und Brandenburg gedeckt wird. Der BER muss ein
mittelgroßer Flughafen für die Region bleiben. Ein internationales Drehkreuz ist an
diesem Standort nicht möglich. Dies muss in der Landesplanung
(Landesentwicklungsprogramm/Staatsvertrag) verbindlich festgeschrieben werden.
- Alle Bürgerinnen und Bürger, die in den durch die Planfeststellung und das
Bundesverwaltungsgericht festgelegten Schutz- und Entschädigungszonen leben,
müssen noch vor Betriebsbeginn umfassenden Schallschutz nach dem jeweils
aktuellen Stand der Technik erhalten. Die Entschädigungszahlungen müssen sich
an einem Konzept eines Gesamtverlustes orientieren (Gesamtverlust = materieller
und immaterieller Schaden). Den Schwerbetroffenen ist die Umsiedlung in von
Fluglärm freie Regionen zu ermöglichen.
- Transparenz aller Vorgänge in und um den Flughafen, inklusive der entstandenen
und noch zu erwartenden Kosten.
Beschlossen in Schönefeld am 19. Oktober 2011